Technik > Tech-Talk Sicherheit

Sicheres Arbeiten an Röhrenamps

(1/20) > >>

Joachim:
Hinweis: Diese Ausführungen sind nur einige praktische Anwendungshinweise und ersetzen keine DIN-Norm. Angegebene Werte sind ungefähre Werte und dienen nur als Beispiel. Im Zweifelsfall ist immer DIN/VDE 0100 zu Rate zu ziehen!

Jeder, der am offenen Röhrenverstärker arbeitet oder Röhrenverstärker (oder andere Geräte) selbst baut, muss wissen, dass die Arbeit an diesen Geräten wegen der hohen Spannungen lebensgefährlich ist - prinzipiell gilt das aber auch für Geräte mit Spannungen ab etwa 60V/AC.

Grundsätzlich muß jedes Gerät mit Metallgehäuse und Netzanschluß über den Schutzleiter (PE) geerdet sein (siehe http://www.tube-town.de/ttforum/index.php?board=55;action=display;threadid=1390). Bei einem Eigenbau muß der Schutzleiter vor dem ersten Anschließen an Netzspannung am Gerät angeschlossen sein und auch immer angeschlossen bleiben! Ich zitiere Stephan:


--- Zitat ---Auf keinen Fall sollte man den PE abklemmen, um Brummprobleme in den Griff zu bekommen. Sollte an so einem Amp ein schwerer Unfall geschehen, kann der "Abklemmer" einpacken: Zahnbürste, Zigaretten, Seife, Vaseline, ... - was man im Knast halt so braucht.
--- Ende Zitat ---

Noch Fragen?


Gefährliche Ströme und Spannungen

Die Gefährung des Menschen durch elektrischen Strom wird bestimmt durch
[*]die Stromstärke und die Stromart
[*]den Weg und die Zeitdauer des Stromes durch den Körper
[*]die individuellen Aufbau des Körpers[/list]
Die Bestimmungen der Schutzmaßnahmen gegen gefährliche Körperströme sind in Teil 410 der DIN/VDE 0100 festgelegt (wer sich für die Details interessiert, kann sich die beim VDE gegen einen Obolus besorgen). Ein Schutz gegen direktes Berühren muss sichergestellt sein, wenn die Nennspannung 50 V Wechsel- oder 120V Gleichspannung überschreitet. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man sich an die strengeren Werte z.B. in der Medizintechnik und der Nutztierhaltung hält: 25V Wechsel- und 60V Gleichspannung.

Durch Versuche in der Unfallforschung wurde festgestellt, dass bei Wechselstrom von 50Hz und der Berührung mit beiden Händen bei einer Stromstärke von:
[*]0,01 bis 1mA geringer Einfluss auf die Muskeln in den Fingern zu beobachten ist,
[*]1 bis 5mA Nervenerschütterungen in den Fingern bis zum Unterarm auftreten,
[*]5 bis 15mA Lösen des Kontakts gerade noch möglich ist,
[*]15 bis 25mA Lösen des Kontakts nicht mehr möglich ist,
[*]25 bis 80mA der Schmerz noch ertragbar ist, ohne das Bewusstsein zu verlieren; es treten aber Blutdruck-Steigerung und Herz-Unregelmäßigkeiten ein, die aber noch reversibel sind. Bei über 50mA kann Bewusstlosigkeit eintreten,
[*]80 bis 100mA über 0,3 s Dauer Herzkammerflimmern und Bewusstlosigkeit. Es besteht ein akut lebensgefährlicher Zustand![/list]
Dies sind lediglich Durchschnittswerte. Abhängig von der individuellen Situation kann auch 50V Wechselspannung, 40mA Stromfluß und eine Einwirkdauer von 200ms oder weniger auf den menschlichen Körper bereits Herzkammerflimmern hervorrufen.

All diese Grenzwerte können in Röhrenverstärkern weit überschritten werden!


Nie bei eingeschalteter Spannung am Gerät arbeiten, wenn es nicht notwendig ist

Grundsätzlich werden alle Arbeiten am Gerät nur bei abgeschalteter Spannung und gezogenem Netzstecker durchgeführt. Nach abschalten der Spannung ist mit einem Voltmeter zu überprüfen, dass alle Elkos auf ungefährliche Restspannungen entladen sind.

Manchmal ist es jedoch notwendig - z.B. zur Fehlersuche - dass der geöffnete Verstärker eingeschaltet ist. Dann sind Schutzmaßnahmen zu treffen, die im Fehlerfall Leben retten können.

Der beste Veraussetzung ist, dass man sich während der Arbeit stets dieser Spannungen und der damit verbundenen Gefahren bewußt ist. Weiterhin gibt es unverzichtbare Schutzeinrichtungen, die - korrekt angewendet - gute aber niemals absolute Sicherheit bieten.


Netzsicherung

Die Netzspannung ist im Schaltkasten mit einer Netzsicherung (heute meist ein Sicherungsautomat) abgesichert. Sie sorgt dafür, dass die verlegte Stromleitung in der Hausinstallation nicht überlastet wird.

Diese Sicherungen sind so groß (z.B. 16A), daß sie in der Regel nur bei einem Kurzschluß im angeschlossenen Gerät abschalten. Sie bietet keine Sicherheit bei Stromberührung durch Personen!


Gerätesicherung

Das angeschlossene gerät muß durch korrekt dimensionierte Sicherungen primärseitig (allpolig) und sekundärseitig abgesichert sein. Eine defekte Gerätesicherung darf nur mit einer Sicherung mit korrektem Nennstrom und Schmelzcharakteristik (träge, mittelträge, flink) ausgetauscht werden.

Diese Sicherungen müssen ansprechen, wenn eine definierte Zeit ein Strom fließt, der den maximalen Strombedarf des Gerätes überschreitet. Ein Überstrom kann durch Bauteildefekte, falsch verdrahtete Baugruppen oder Unachtsamkeit bei der Arbeit (Kurzschluß durch Schraubenzieheer usw.) auftreten.

Die Gerätesicherung bietet keine Sicherheit bei Stromberührung durch Personen!


Fehlerstrom-Schutzschalter (FI)

Der Fehlerstromschutzschalter ist eine Personenschutzeinrichtung, bei der Phase und Nulleiter durch einen Summenstromwandler geführt werden. Ist die Summe der über Phase und den Nulleiter fließenden Ströme nicht null, löst bei einer bestimmten Differenz der FI-Schutzschalter aus und unterbricht die Netzspannung.

Wie kommt es nun zu dieser Differenz? Bei der Berührung eines spannungsführenden Leiters mit Bezug zur Schutzerde fließt ein Teil des zugeführten Stromes über den Körper gegen Erde ab und nicht mehr durch den Nulleiter zurück und so entsteht ein Stromdifferenz. Gängige FI-Schutzschalter lösen bei 30mA bzw. 10mA Stromdifferenz aus. Je geringer der Auslösestrom, desto geringer ist die Gefahr für Leib und Leben.

FI-Schutzschalter sind in privaten Haushalten z.B. für Feuchträumen wie Bädern oder im Freien vorgeschrieben. Eine generelle Vorschrift gibt es jedoch nicht, so dass in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass in der Hausinstallation kein FI-Schutzschalter vorhanden ist. Wer an offenen Geräten arbeitet, sollte sein Arbeitsumfeld daher unbedingt mit einem Fehlerstromschutzschalter ausrüsten/absichern. Fehlerstromschutzschalter können im Arbeitstisch eingebaut werden, es gibt aber auch Steckdosenleisten oder Vorschaltgeräte mit eingebautem Fehlerstromschutzschalter (kann man auch prima mit in den Proberaum nehmen). Diese kosten zwischen 20€ und 80€. Ein geringer Preis für das Leben.

Fehlerstromschutzschalter sind die einzige Schutzeinrichtung gegen Stromberührung. Für den höchstmöglichen Schutz ist ein Auslösestrom vom 10mA zu wählen. 30mA Körperstrom kann schon lebensbedrohlich sein.


Trenntrafos sind KEIN Schutz!

Oft kann man lesen, dass manche Bastler einen Trenntrafo verwenden, um sich vermeintlich gegen elektrische Schläge zu schützen. Das funktioniert aber nur, wenn man nur EINEN spannungsführenden Leiter berührt. Fast man aber mit einer Hand an die Spannung und mit dem anderen an die Masse (oder eine andere Spannung) fließt der Strom aber direkt über das Herz ein und evtl. zwar vorhandener Fehlerstromschutzschalter spricht nicht an, da man durch den Trenntrafo vom FI galvanisch getrennt ist.

Also Leute, laßt den Quatsch mit den Trenntrafos! Beim Arbeiten an offenen Geräten solltet ihr immer direkt am Netz und mit einem funktionierenden FI arbeiten.


Masse und Schutzerde verbinden

Um zu verhindern, dass die Signalmasse durch einen Fehler auf gefährlichem Potenzial liegt, muß diese mit PE (Schutzerde) verbunden sein. Eine Verbindung über einen - auch geringen Widerstand, wie z.B. 100 Ohm - ist nicht empfehlenswert, da hier schon gefährliche Potenziale auftrene können!

Soweit erstmal genug. Wie Stephan sage ich: Unklarheiten, Erklärungsbedarf, anderer Meinung, was vergessen? Zögert nicht!

Bleibt nur, mit den letzten Worten von Mr. Spock zu schließen:

Live long and prosper,
Joachim

the_moppi:
hi, ich hab mal gelesen, dass man die masse und den schutzleiter mit einem 100ohm leistungs wiederstand verbinden soll, stimmt das oder soll man masse und schutzleiter direkt miteinander verbinden??

Mfg marek

Joachim:
Hi, Marek,

der 100 Ohm klingt mir nach einer Pseudo-Maßnahme gegen Brummschleifen. Ich hab noch keinen professionell hergestellten Röhrenamp (für Gitarren!) gesehen, bei dem die Verbindung über 100 Ohm gemacht wird.

Masse und Erde sollten an einer Stelle über ein dickes Kabel verbunden werden. Der 100 Ohm kann im Gegenteil dafür sorgen, dass sich ein - wenn auch geringes - Potential zwischen Masse und Erde aufbaut.

Gruß,
Joachim

bäri:
Hi Marek,

wenn mal was hochgelegt wird, dann ist es manchmal die Signalmasse/ Abschirmung, und zwar um Brummen in Verbindung mit externen Geräten an Einschleifwegen, Line-Outs etc. zu unterdrücken.

Davon halte ich aber ebenfalls überhaupt nichts. Die beste Lösung in so einem Fall sind ein (oder zwei) gute LINE- Übertrager, der die Sache sauber galvanisch trennt.
Wird aber aus "Kostengründen" leider eher selten verwendet (ca. 50€), lieber wird sich für das Geld doch noch ein zusätzliches Bodentreterchen gekauft ;0)=

Dabei sind (gute) Line-Adapter quasi eine Anschaffung fürs Leben, sie sind sehr universell einsetzbar!

@Joachim: hast Dir ja super viel Mühe gegeben, ist sehr klar & verständlich geworden!
Gruß
GÜNTER

Eugen L.:
Moin,Super Text Joachim könnte ich ihn eventuel auf meiner homepage die grade ensteht auch hinzufügen oder hast du was dagegen? Den müste fast jederverstehen.

Gruß

Eugen

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln