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wie funktioniert eigentlich digitaler Hall ?
tele05:
Hallo,
bei den 80er Halleffekten wurde das trockene Signal verzögert, gefiltert und abgeschwächt wieder draufaddiert.
Es gibt verschiedene patentierte Algorithmen z.B. von Lexington. Details kenne ich nicht. Die benötigte Rechenleistung ist eher gering.
Eine andere Methode ist der sog. Faltungshall. Dabei wird dem trockenen Signal die Impulsantwort eines Raums "draufgefaltet". Faltungshall ist seit Anfang der 2000er schwer in Mode, es braucht aber leistungsfähige Prozessoren, um das in Echtzeit mit geringer Latenz hinzubekommen. Deshalb gibts das nach meinem Wissen bisher nicht als Pedalseffekt (auch wg. Stromverbrauch). In PC-Effekt-Plugins gibts das durchaus.
Impulsantworten sind Nachhall-Aufnahmen von Räumen nach einem lauten Knall z.B. einem Pistolenschuß. Das heißt, man schneidet den eigentlichen Knall weg und speichert nur den Nachhall.
Da der Nachhall an allen Stellen des Raums unterschiedlich ist, wird für gute Simulationen oft an vielen Stellen im Raum geknallt und gesampelt. Man damit tatsächlich die charakteristischen Raumklänge an verschiedenen Stellen eines Konzertsaal nachbilden. Es gibt richtige Sample-Bibliotheken mit Impulsantworten bekannter Konzerthallen oder Kirchen (teilweise sogar OpenSource).
Die Faltung kann man mit DSPs rechnen. Die Mathematik dahinter ist nicht ganz einfach, aber schon ziemlich alt. Entweder findet das mit einem FIR-Filter im "Zeitbereich" (also ohne Transformation direkt auf den trockenen Inputsamples) statt oder man transformiert das Inputsignal mit einer FFT in den "Frequenzbereich" und multipliziert es dort blockweise mit der (ebenfalls transformierten) Impulsantwort. Nach der Multiplikation werden die Blöcke dann wieder in den Zeitbereich rücktransformiert und man erhält das gewünschte verhallte Signal.
Gruß
Oliver
dukesupersurf:
Hi , vielen Dank , da hab ich was zum Grübeln .
Wenn man jetzt die Werte von einer Pistole hat , wie kriegen die denn dann später die Klangfarbe/Tonhöhe des Gitarrensignals darein ?
Das hört sich so raffiniert an , aber warum klingt denn dann immer noch der 30 Jahre alte Hall des REX50 besser als z.B. der eines aktuellen Zooms G3 , mit seinen viel leistungsfähigeren Prozessoren , was wiederum bei anderen Effektsimulationen eigentlich ganz gut klingt und viel mehr als das rex50 kann ?
tschüß , Thomas
Athlord:
--- Zitat von: dukesupersurf am 26.10.2016 12:02 ---aber warum klingt denn dann immer noch der 30 Jahre alte Hall des REX50 besser als z.B. der eines aktuellen Zooms G3 , mit seinen viel leistungsfähigeren Prozessoren , was wiederum bei anderen Effektsimulationen eigentlich ganz gut klingt und viel mehr als das rex50 kann ?
tschüß , Thomas
--- Ende Zitat ---
Weil es immer bestimmte Färbungen gibt, die vom Hörer als "besser gefallen" wahrgenommen werden.
Ich finde einen echten Federhall z.Bsp. immer noch besser als das was es in Form von Effektpedalen gibt.
Bei den Plugins für die Nachbearbeitung sieht das schon wieder anders aus...
Cheers
Jürgen
tele05:
> Wenn man jetzt die Werte von einer Pistole hat , wie kriegen die denn dann später die Klangfarbe/Tonhöhe des Gitarrensignals darein ?
vergiss die Pistole. Die nimmt man nur zur Anregung des Raums (heutzutage macht man das auch anders aber Schreckschußpistolen waren früher durchaus üblich für sowas). Der Klang des anregenden Signals ist egal, den schneidet man eh weg.
Es geht ausschließlich um den daran anschließenden Nachhall des Raums, nur der wird aufgehoben und später zur Berechnung benutzt.
Also von PÄnnnnnggggghhhh nimmst Du nur nnnnnggggghhhh. Und das enthält nur die Antwort des Raums, nicht den Klang der Pistole. Wenn du dieselbe Pistole im Kölner Dom, auf dem Klo und deinem Schlafzimmer abfeuerst, klingt das PÄ immer gleich und das nnnnnggggghhhh immer anders und darauf kommt es an.
Der DSP kann diesen Nachhall-Fingerabdruck des Raums auf jedes beliebige Signal draufrechnen - also auch auf dein Gitarrensignal. Die Details sind relativ kompliziert und man braucht einiges an Mathe dazu, Stichworte z.B. FIR Filter oder FFT oder Convolution/Faltung.
Und dann klingt das erzeugte Signal so, als ob der trockene akustische Event auf einmal den charakteristischen Nachhall des jeweiligen Raums "dazubekommt".
> Weil es immer bestimmte Färbungen gibt, die vom Hörer als "besser gefallen" wahrgenommen werden.
exakt.
Die ganze Technik sagt nichts darüber aus, ob es am Ende gut klingt.
Ich hoffe, es hat mehr erklärt als verwirrt. Ich raffe vieles davon nach einem kompletten Studium auch immer noch nicht.
Grüße
Oliver
Reinhold Messmal:
--- Zitat von: dukesupersurf am 26.10.2016 12:02 ---aber warum klingt denn dann immer noch der 30 Jahre alte Hall des REX50 besser als z.B. der eines aktuellen Zooms G3 , mit seinen viel leistungsfähigeren Prozessoren , was wiederum bei anderen Effektsimulationen eigentlich ganz gut klingt und viel mehr als das rex50 kann ?
--- Ende Zitat ---
Weil der REX50 zwei grosse Brüder hatte, die hiessen REV7 und REV5, gingen gerade mal bis 12kHz und haben trotzdem damals im Studiobereich ganz schön für Furore gesorgt. Deren gutklingende Algorithmen wurden dann auf die Verwandschaft portiert.
Das mit den Raumsimulationen ist in manchen Situationen sowieso eigentlich chancenlos. Was will ich in einem Club, wo die äusseren zwei Drittel sowieso fast nur eine Seite der PA hören, mit einem total ausgefuchsten Stereohall, wenn ihn mehr als die Hälfte eh nur halb mitbekommt?
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