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Technik => Tech-Talk Amps => Thema gestartet von: Jürgen am 18.03.2018 16:15

Titel: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 18.03.2018 16:15
Hallo.

Ich weiß, Anfängerfragen nerven immer...

Im Telefunken-Datenblatt zur EL84 ist der Anodenstrom für AB-Betrieb bei 300V und Vollaussteuerung mit 46mA und ohne Signal mit 36mA angegeben. Man findet fast nie Angaben in Datenblättern zum Kathodenstrom. Frage: ist der Anodenstrom, wenn man ihn direkt in der Anodenleitung misst, gleichzusetzen mit dem Ruhestrom bzw. dem Bias, der durch die Kathodenleitung fließt? Müsste doch eigentlich der gesamte Strom sein, der über die Röhre fließt?

Gruß, Jürgen.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: cca88 am 18.03.2018 16:41
Hallo.

Ich weiß, Anfängerfragen nerven immer...

Im Telefunken-Datenblatt zur EL84 ist der Anodenstrom für AB-Betrieb bei 300V und Vollaussteuerung mit 46mA und ohne Signal mit 36mA angegeben. Man findet fast nie Angaben in Datenblättern zum Kathodenstrom. Frage: ist der Anodenstrom, wenn man ihn direkt in der Anodenleitung misst, gleichzusetzen mit dem Ruhestrom bzw. dem Bias, der durch die Kathodenleitung fließt? Müsste doch eigentlich der gesamte Strom sein, der über die Röhre fließt?

Gruß, Jürgen.

Hallo Jürgen,
speziell bei der EL84: alles was oben reingeht, kommt bei ihr auch am Pin3 wieder heraus...
Sprich: Anoden UND Schirmgitterstrom. Du misst also nicht das Gleiche

Larry hat wo anders übrigens kürzlich mal auf den Bremsgitterstrom bei EL34 hingewiesen... Wie groß der ist, weiß ich allerdings nicht. Bei der hat das Bremsgitter aber auch einen exklusiven Anschluß.

Grüße
Jochen

Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 18.03.2018 18:50
Aha. Also doch nur in der Kathode messen. Oder Ia+Ig2 addieren. Ich hatte gehofft, daß es auch anders geht, weil in der Ruhestrom-pdf von Dirk eine alternative Methode zur Ermittlung des Ruhestroms beschrieben ist, nach der man den ohmschen Widerstand einer Wicklungshälfte messen kann und dann die Spannung über dieser Wicklungshälfte misst (also zwischen Mittelanzapfung und Anode) und dann den Ruhestrom aus diesen beiden Daten errechnen kann. Ich habe nämlich nur einen Adapter für Oktalröhren. Danke für die Antwort.

Gruß, Jürgen
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: bea am 18.03.2018 19:23
Hallo Jürgen, die Zahlen im Datenblatt der EL84 zeigen aber doch vor allem eines: es kommt nicht so drauf an, solange die Grenzwerte eingehalten werden. Die Endstufe leistet immer so um die 15W.

Bei der EL84 fährt man ganz gut, wenn man für den Schirmgitterstrom 5 mA ansetzt. Solange man die Röhre nicht übersteuert.

Und der Ruhestrom kann zwischen 7.5 mA und 46 mA variieren; ersteres erfordert allerdings eine Über-Alles-Gegenkopplung.

Und natürlich misst man den Katodenstrom. Allein schon, um sich möglichst wenig zu gefährden. Bei *jedem* Versuch, den Anodenstrom direkt zu messen, hat man ja damit zu tun, dass die Anode nun mal auf 300 V gegenüber Masse liegt.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 18.03.2018 19:49
Also 5mA bei voller Aussteuerung? Ist der Gitterstrom eigentlich ohne Anssteuerung=0mA? Wäre dann Ia=Ik? Ich nerve deshalb mit dem Anodenstrom herum, weil man ihn sehr leicht am AÜ messen kann. Natürlich unter Beachtung gängiger Sicherheitsmaßnahmen.

Gruß, Jürgen.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: bea am 18.03.2018 20:22
Am einfachsten lässt sich der Anodenstrom ja genau wie der Katodenstrom über einen 1 Ohm-Widerstand in der Anodenleitung messen. Das ist genauso gefährlich wie die Fummelei am Übertrager. Und - mach das mal bei einer EL34 mit 790 V. Oder auch nur in einem Hiwatt 200 (670V). Sprich: in kleinen Endstufen mit Anodenspannungen in der Näher der Netzspannung mag das ja vielleicht noch angehen, aber keinesfalls in richtig großen Kisten.

Bei Pentoden ist der Schirmgitterstrom in grober Näherung konstant, solange die Röhre nicht weit oder zu weit ausgesteuert wird. Deshalb ist es auch gängige und vollkommen ausreichende Praxis, die Ruheströme über den Katodenstrom einzujustieren.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 18.03.2018 21:12
Deshalb ist es auch gängige und vollkommen ausreichende Praxis, die Ruheströme über den Katodenstrom einzujustieren.

Ja, klar, wenn man denn einen 1R in der Kathode drin hat oder ein Noval-Meßadapter zur Verfügung steht. Muß ich mir mal besorgen, so ein Ding. Danke.

Grüße, Jürgen.

Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: cca88 am 19.03.2018 01:43
Ja, klar, wenn man denn einen 1R in der Kathode drin hat oder ein Noval-Meßadapter zur Verfügung steht. Muß ich mir mal besorgen, so ein Ding. Danke.

Grüße, Jürgen.

Hallo Jürgen,

natürlich kannst Du auch über den Übertrager messen...

Dann hast du die Anodenströme -- ud die gehen in die Anodenverlustleistung ein...

Wenn Du sichergehen willst, dann machst Du genau das Gleiche auch mit den Schirmgittern... Die Widerstände messen - die Spannungsabfälle - Strom ausrechnen - und addierst dasGanze wieder... Dann solltest Du ziemlich genau das gleiche Ergebnis haben, wie mit dem 1Öhmer...

Ich gehe davon aus, daß Du vernünftige Klemmhaken hast... Abrutschen und einen Kurzen von B+ auf Masse - das willst Du glaub nicht

Grüße
Jochen

Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 19.03.2018 02:37
Hallo Jochen

Ich habe jetzt mal die Übertragermethode nach Dirks Anleitung ausprobiert. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Ich habe die Schirmgitter nur rechnerisch mit einbezogen, ich gab 4mA pauschal dazu und komme nun ohne Aussteuerung auf 33mA. Und nein - abrutschen und einen Kurzen von B+ auf Masse möchte ich nicht unbedingt haben.   :-\ Deshalb passe ich immer akribisch genau auf, daß alles fest sitzt.

Gruß, Jürgen
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: cca88 am 19.03.2018 07:27
Hallo Jochen

Ich habe jetzt mal die Übertragermethode nach Dirks Anleitung ausprobiert. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Ich habe die Schirmgitter nur rechnerisch mit einbezogen, ich gab 4mA pauschal dazu und komme nun ohne Aussteuerung auf 33mA. Und nein - abrutschen und einen Kurzen von B+ auf Masse möchte ich nicht unbedingt haben.   :-\ Deshalb passe ich immer akribisch genau auf, daß alles fest sitzt.

Gruß, Jürgen

 :topjob:
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 16:24
Hallo allerseits

Da es noch einige Fragen bezüglich Ruhestrom gab, habe ich noch ein wenig recherchiert und bin auf eine Sache gestoßen, die im Allgemeinen wenig Erwähnung findet, ich zumindest habe noch nichts davon gelesen. Es geht um die Tatsache, daß sich die verschiedenen Bias-Arten in der Einstellung des Ruhestromes erheblich unterscheiden. So stellte sich bei meinen Recherchen heraus, daß man bei Schaltungen mit fixed Bias völlig andere Werte einstellen muß, als bei Schaltungen mit Kathodenbias. Wenn man z.B. bei einer EL84 eine Andodenspannung von 300V hat, steht überall geschrieben, daß man den Ruhestrom auf max 28mA einstellen darf. Das stimmt aber nur bedingt. Bei Kathodenbias kann man getrost nicht nur 70% der max. Verlustleistung einstellen, sondern sogar sicher bis zu 100% fahren, also bis zu 40mA! Ich hänge mal einen Artikel des Herrn Randall Aiken an, der dies erläutert. Er schreibt, daß man bei Kathodenbias nicht mit dem Faktor 0,7 sondern mit 0,9 rechnen muß. In der Bias-Map fand ich keinen Hinweis darauf, oder habe ich es überlesen? Auch in dem verlinkten Bias-Rechner kann man es gut sehen, da gelten 34mA bei 300V bei Cathodenbias noch als kalt eingestellt.

Gruß, Jürgen.

https://robrobinette.com/Tube_Bias_Calculator.htm
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Bierschinken am 21.03.2018 16:52
Ob eine negative Vorspannung des Steuergitters gegenüber der Kathode mittels angelegter Spannung an das Gitter erfolgt oder über angelegt Spannung an die Kathode, ist völlig wurscht für die Ruhestromeinstellung. Arbeitspunkt, bleibt Arbeitspunkt.

Da wird auch wieder mit Class A, Class A/B um sich geworfen, ohne die Betriebsmodi definiert zu haben.
Dann kommt noch dazu, dass man irgendwelche Datenblättern von irgendwelchen Röhren hat, aber niemals die Datenblätter mit den Parametern zu den eigenen Röhren und Schaltungsumgebungen...
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 17:01
Also sind die Aussagen falsch? Dann würde ich wieder auf 28mA zurückregeln.

Gruß, Jürgen.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 17:05
Ich habe jetzt bei 300V statt 28mA 38mA eingestellt, also Ik wie im Datenblatt angegeben (36mA) + 2mA Gitterstrom hinzugerechnet  und es gibt nicht mal den Ansatz von "roten Bäckchen" der Röhren. Das ist aber auch kompliziert...
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 17:33
Ähh, Ia 36mA muß es natürlich heißen. Schreibfehler.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: earnst am 21.03.2018 17:59
"...völlig wurscht für die Ruhestromeinstellung. Arbeitspunkt, bleibt Arbeitspunkt."

Na ja,

Autobias mittels Kathoden-R hat eine Stabilisierung des AP durch Gegenkopplung, die Gefahr des "Weglaufens ist also deutlich geringer". Das ist bei fixed bias nicht so...

mfg ernst
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Bierschinken am 21.03.2018 18:07
Richtig, die der Kathodenwiderstand bietet zumeist eine Stromgegenkopplung (wenn mittels Kondensator nicht überbrückt auch eine Spannungsgegenkopplung) unterm Strich ist das aber relativ egal für die Ruhestromeinstellung, ohne weitere Informationen zur Schaltung.
Es könnte sein, dass der AP weg läuft bei hoher Aussteuerung, aber dazu lässt sich nichts bezüglich der Ruhestromeinstellung ableiten, wenn nicht alle Parameter bekannt sind. Arbeitsgerade, Last, tatsächliche Röhrenkennlinie und tatsächliche Leistungshyperbel...

Ohne diese Daten sind wir bei Pragmatismus und keiner Wissenschaft. Da nimmt man dann Faustformel: 50-70% der maximalen Anodenverlustleistung im Gegentakt und gut is.

Grüße,
Swen
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: bea am 21.03.2018 18:31
Ja, und wenn man mit fixed bias arbeitet, muss man aufpassen, dass die Gitterableitwiderstände nicht zu groß werden: die Summe von Gitterableitwiderstand + Innenwiderstand der Bias-Versorgung darf nicht größer als der Grenzwert aus dem Datenblatt werden. Wenn sich auf den Gittern zu viel Ladung ansammelt, kann der Arbeitspunkt weglaufen. Wegen der bei fixed bias fehlenden Stromgegenkopplung passiert das da viel schneller.

Dieser geringere Gitterableitwiderstand setzt dann Randbedingungen für die Phasenumkehrstufe. Bei einem Pärchen EL84 ist das noch vergleichsweise harmlos, bei zwei anderen echten Pentoden wie der 7591 und der EL34 ebenfalls, aber bereits bei den kleineren Beam-Tertroden (6V6 / 6L6) schon ganz und gar nicht mehr.
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 18:36
Und warum gibt dann Telefunken im Datenblatt bei 300V  Iao=36mA + Ig2o=4mA=40mA an und nicht 28mA?

Gruß, Jürgen
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 18:42
Wegen der bei fixed bias fehlenden Stromgegenkopplung passiert das da viel schneller.

Beate, genau das las ich gestern als Grund dafür, daß man bei Catode-Bias beruhigt bis 100% biasen kann. Andere schrieben, daß 95% ein sehr guter Wert sein soll, wie es auch im Kalkulator angegeben ist.  https://robrobinette.com/Tube_Bias_Calculator.htm

Gruß, Jürgen
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: _peter am 21.03.2018 19:21
Hallo,

Und warum gibt dann Telefunken im Datenblatt bei 300V  Iao=36mA + Ig2o=4mA=40mA an und nicht 28mA?

Die besagten 50-70% sind ein Richtwert, der sich aufgrund der durchschnittlich üblichen Parameter ergibt.
Er soll verhindern, dass die Arbeitsgerade nicht über die Leistungskurve steigt. Ab dem Übergang zum B-Betrieb
darf sie dass, weil die Röhre diese Mehrleistung nur für geringere Zeit liefern muss und zeitweise sperrt.

Bei EL84 ist nun aber das Verhältnis Anodenverlustleistung zu maximaler Ua (hohe Leistung in kleinem Kolben) so,
dass selbst die B-Linie mit 8k Raa immer unter der Leistungskurve bleibt! (Bild 1)
Dadurch lässt sich hier ein höherer Ruhestrom einstellen.

Nähme man für die EL84 eine Ua von 400V und einen Raa, bei dem die A-Gerade eben so die Leistungskurve berührt,
wären die berühmten 70% (21mA) sogar schon zu viel des Guten. (Bild 2)

Gruß, Peter
Titel: Re: Frage zum Ruhestrom
Beitrag von: Jürgen am 21.03.2018 19:45
Vielen Dank für die sehr gute Erklärung, Peter. Ich hatte mich ja genau an die Vorgaben des Datenblattes gehalten mit 300V und einem Rk von 130R und hatte genau 40mA Ruhestrom gemessen. Da aber oft 28mA als einzustellender Ruhestrom angegeben ist, kam ich ins Grübeln. 400V mag ich aber lieber nicht auf eine EL84 geben, da hätte ich wohl ein schlechtes Gewissen der armen Röhre gegenüber. Obwohl man ja sagt, daß es auch funktioniert, wenn man einen Gitterwiderstand von 1,5K davorschaltet. Aber das muß ja nicht sein.

Gruß, Jürgen