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Technik => Tech-Talk Lautsprecher => Angetestet... => Thema gestartet von: Dirk am 10.02.2012 12:20

Titel: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 10.02.2012 12:20
Der WGS ET65 wird gerne als Clone des 80er-Jahre Rola Celestion G12-65 eingestuft und in der Tat, ein direkter Vergleich zeigt eine extrem grosse Übereinstimmung, aber nur bei den G12-65, welche mit der 444er Membran ausgestattet sind. Die G12-65 mit 1777 Membran - darunter fällt auch der G12-65 Reissue - zeigen ein deutlich anderes Verhalten, insbesondere mit Tief-Mitten Bereich und das obwohl der ET-65 angeblich auch mit einer 1777er Membran ausgestattet ist.
Der Autor hat zwar so seine Zweifel daran, dass der ET-65 wirklich mit einer 1777er Membran ausgestattet ist, denn er kling wirklich wie der alte Rola Celestion G12-65 mit 444er Membran und man würde bei einem Blindtest die beiden Lautsprecher nur sehr schwer auseinander halten können, aber auf der anderen Seite sind noch viele anderen Parameter für den finalen Klang zuständig und eine Membran alleine macht noch keinen Lautsprecher. An dieser Stelle sei noch der Hinweis erlaubt, dass die (heutigen) Vintage 30 ebenfalls mit der 444 Membran ausgestattet sind.
Membran hin oder her, beim Clean-Test konnte sowohl der ET-65 als auch der G12-65 nicht wirklich richtig überzeugen. Insbesondere Single-Coils in Brückenposition klingt recht dünn, flach und auch lustlos. Bei Humbackern wird es zwar etwas besser, da der Klang naturgemäss etwas fülliger wird, aber so richtige Spielfreude stellt sich nicht ein. Da ist der Celestion G12-65 Reissue deutlich angenehmer, da der Tief-Mitten Bereich stärker betont wird, was den Gesamtklang deutlich fülliger macht.
Wer hin und wieder mal etwas Clean benötigt, sonst aber deutlich Overdrive fährt, für den ist der ET-65 und der G12-65 absolut ausreichend, dann die Stärken dieser Lautsprecher fangen erst mit zunehmender Übersteuerung an zu wirken.
Wie schon erwähnt neigt der Celestion G12-65 Reissue zu einer Überbetonung der Tief-Mitten Bereich. Das macht den Sound im Allgemeinen sehr füllig, mit einer recht warmen Färbung. Dieser Bereich reagiert auch sehr stark auf den Mittenregler beim Verstärker sodass auch richtig dicke Lead-Sounds möglich sind.
Der WGS ET-65 hingegen wirken im direkten Vergleich weit aus linearer und ohne den G12-65-typischen Mittenbauch. Der Bass ist dezent und aufgeräumt was ein sehr grosser Vorteil ist. Insbesondere bei richtigem Schwermetall gibt es keine Überschläge im Bass, alle Noten werden sauber getrennt übertragen und die Ansprache ist sehr direkt. Die Höhen sind präsent, aber nicht aufdringlichen, und verleiten dem ET-65 eine etwas aggressivere Note, ohne dabei aber zu nerven. An Durchsetzungskraft fehlt es dem ET-65 auf alle Fälle nicht und auch der etwas ausgeprägtere Bereich um die gefühlte 2 kHz sind kein Schaden. Besonders wenn der Lautsprecher hinter einer dicken Frontbespannung betrieben wird, die viel Höhen schluckt ist man froh, wenn noch ausreichend Reserven vorhanden sind.

Der G12-65 Reissue erlebte seine Wiedergeburt nachdem bekannt wurde, dass Robben Ford diesen Lautsprecher einsetzen würde und genau für diese Art von Musik und Sound ist der Celestion G12-65 Reissue sehr gut geeignet. Klassische Trio-Besetzung, wo ein füllender Gitarrensound mit moderatem Overdrive und dicken Mitten gewünscht ist. Das stellt die ideale Umgebung für diesen Lautsprecher da.
Der ET-65 hingegen ist linearer und im Vergleich zum G12-65 im Mittenbereich deutlich schlanker. Sein empfohlenes Einsatzgebiet reicht von moderatem Overdrive bis hin zu richtig schweren Nu-Metal Sounds, bei klassischen Rock-Besetzungen mit zwei Gitarren, Bass und Drums. Der Hersteller empfiehlt den ET-65 zwar auch für Blues, aber hier hat sicherlich der G12-65 Reissue die besseren Argumente.

Als Zuhause bietet sich für den Celestion G12-65 Reissue eine grossvolumige oder offene Box an, die ein freies Arbeiten der Membran ermöglicht und den Lautsprecher in seinen Stärken nicht sonderlich stark bevormundet. Leider werden zum Celestion G12-65 keine Thiele&Small Parameter veröffentlicht weshalb keine weiteren Simulationen und Berechnungen möglich sind, aber eine 212 im Dumble-Stil mit offener Rückwand hat sich in der Praxis als sehr passend erwiesen.
Auch beim ET-65 ist eine Box mit grösserem Volumen von Vorteil. Wenn dieser mit modernen Overdive-Sounds betrieben wird dann darf die Box gerne auch geschlossen sein um die Membran-Bewegungen noch ein wenig besser kontrollieren zu können. Eine Berechnung auf Basis der Thiele&Small Parameter des ET-65 führt bei linearer Abstimmung zu einem Boxen-Volumen von rund 80 Liter pro Lautsprecher. Das ist recht gross und würde in der Praxis zu doch sehr unhandlichen Boxen führen. 60 - 65 Liter sind in der Regel aber voll und ganz ausreichend. Bei Bedarf kann mit etwas Füllmaterial nachgeholfen werden, das schadet hier nicht. Natürlich nur bei geschlossenen Boxen.

Abschließend sei noch erwähnt, dass keiner der hier getesteten  Lautsprecher ein Leisetreter ist. Bei allen Kandidaten muss man eine deutliche Anzahl von Elektronen durch die Schwingspule schicken damit sich der gewünschte Sound einstellt. Wer einen Lautsprecher für Bedroom-Levels oder wohnzimmerfreundliche Lautstärken sucht und womöglich noch in einem Mietshaus wohnt, der wird mit diesen hier vorgestellten 12er höchstwahrscheinlich keine Freude haben.
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: shapeshifter am 2.06.2012 10:01
Vielleicht hilft es ja jemandem, ich hatte mittlerweile die Möglichkeit einen Original Celestion Rola 12-65 Speaker (Ende 70er) mit dem ET65 zu vergleichen:

- Die Speaker sind in etwa gleich empfindlich/"laut"

- Wie Dirk schon oben erwähnte, sind die ET65 etwas schlanker im tiefen Mittenbereich, die Celestion klingen dadurch subjektiv "fetter" bzw. "cremiger", was mir bei verzerrten Leadsounds sehr gut gefällt.

- Der ET65 hat eine Spur mehr Höhen, allerdings sind beide Speaker im Vergleich zu meinen Jensen-artigen Speakern da schon deutlich zurück genommen...auch etwa im Vergleich zum WGS Blackhawk (50W), der hier im Forum schon ein paar mal erwähnt wurde
Für luftige Clean-sounds sind Beide nicht gerade ideal, würde ich sagen. (Der Grund warum ich den ET65 gekauft habe, war die Empfehlung von WGS für meinen Deluxe Reverb, der mit Jensen Speakern schon recht hell klingt und recht empfindlich auf Pedale reagiert. Allerdings hat er mir da nicht besonders gut gefallen.)

- Im Bassbereich sind sie relativ ähnlich

Man könnte sagen, der ROLA hat mehr "Charakter", er drückt auch trotz seines Alters noch gut ab, der ET65 klingt aufgräumter, aber er hat schon Vieles gemeinsam. (Er ist übrigens eingespielt.) Ich habe auch gelesen, dass es gerade bei den 12-65ern auch starke Unterschiede in der Konstruktion gab, daher weiß ich nicht, wie objektiv das jetzt zu sehen ist.

Je nachdem können beide Speaker also genau das sein, was man sucht. (Für mich als Fan von funkelnden Cleansounds sind Beide nix  ;)

Aber nachdem ich eine Dumble style 1x12 von Dirk genommen hab, wollte ich wissen, wie der "klassische" 12-65er Sound so ist. Ich habe da jetzt gerade den Jensen Blackbird drinnen, der hat die Höhen, die ich mag, er klingt allerdings vom Charakter her schon recht anders, als der Celestion und ET65. Ideal wäre ein 12-65er mit mehr Höhen. Falls da wer eine Empfehlung hat - Dirk?  ;D)

Zusatz:
Der cone des Rola ist ein 444er....





Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 2.06.2012 13:40
Vielleicht hilft es ja jemandem, ich hatte mittlerweile die Möglichkeit einen Original Celestion Rola 12-65 Speaker

Achte auf die Cone bei solch einem Vergleich mit den G12-65. Wichtig !

Zu Deiner Frage: Eminence MOD12 dürfte in Deinem Fall eine gute Alternative sein.

Gruß, Dirk
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Manfred am 2.06.2012 14:19
Hallo Dirk,

ich habe zwei G12-65 ein von November 78 und einen vom November 81.
Welche Membran haben diese?
Wie kann man die 444 und 1777 Membran unterscheiden?.

Gruß
Manfred
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 2.06.2012 19:14
Wie kann man die 444 und 1777 Membran unterscheiden?.

Steht auf der Rückseite der Membran.
die 444 ist die vom Vintage 30 und die 1777 die, die auch beim aktuellen G12-65 Reissue verwendet wird.

Gruß, Dirk
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: jacob am 2.06.2012 19:59
Hi Manfred,

  444 = 55Hz Bass cone (Müller)
1777 = 75Hz Lead cone (Müller)

Die Membrantyp- Nummer ist bei den Celestions auf der Rückseite der Cones in weiss aufgestempelt.
Das wird sich auch bis heute wahrscheinlich nicht geändert haben, nehme ich jetzt mal an  ;)

Falls aber Deine beiden G12-65  keine Cone- Nummer aufgestempelt haben sollten:
diesbezüglich einfach mal per mail "Dr. Decibel" bei Celestion befragen.

Gruß

Jacob
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: seyda am 3.06.2012 08:53
Der Grund warum ich den ET65 gekauft habe, war die Empfehlung von WGS für meinen Deluxe Reverb, der mit Jensen Speakern schon recht hell klingt und recht empfindlich auf Pedale reagiert. Allerdings hat er mir da nicht besonders gut gefallen.
OT<<  Habe nach ausgiebigem Vergleich von ca 10 verschiedenen Speakern "meinen" SF Deluxe Speaker gefunden - unerwarteterweise klang der Private Jack am ausgewogensten und mit am lautesten. Platz 2 teilen sich Gold- und Cream Alnico.
ET65 und andere eher Marshall-orientierte WGS waren hier (!) nicht mein Ding, der Blackhawk HP war auch noch ein guter Kandidat.
Benutze den Amp allerdings nur ganz clean für Aufnahmen, d.h. Volume unter 3 >>OT
sorry,
seyda
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Manfred am 3.06.2012 12:03
Hallo Dirk, hallo Jacob,

ich danke für die Infos.

Gruß Manfred
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: shapeshifter am 28.06.2012 07:07
Wie würde man denn die Unterschiede der cones 1777 und 444 grob umschreiben?

Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: earlgrey36 am 28.06.2012 08:20
Die 1777 Cone ist etwas näher am "Kölnisch Wasser" dran als die 444 Cone  ;D.

Gruß, Elmar  :guitar:
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 28.06.2012 08:45
Die 1777 Cone ist etwas näher am "Kölnisch Wasser" dran als die 444 Cone  ;D.

 :facepalm:
Setzen, sechs !

Dirk
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: jacob am 28.06.2012 09:18
Moin Dirk,

Elmar liegt mit seinem "olfaktorischen Soundvergleich" m.E. doch gar nicht so verkehrt  :devil:
Die 444 Cone würde ich dann in diesem Kontext als etwas näher am "Mouson- Lavendel" dran klassifizieren  8)

Shapeshifter kann ja mal seine Mutter/ Großmutter nach den Charakteristiken dieser beiden Duftnoten befragen  :angel:

Gruß

Jacob   ;D
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 28.06.2012 11:28
das liegt wohl alles am Wetter...

444 Cone wird beim Vintage 30 eingestezt, 1777 Cone beim G12-65

Gruß, Dirk
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: shapeshifter am 28.06.2012 13:50
das liegt wohl alles am Wetter...

444 Cone wird beim Vintage 30 eingestezt, 1777 Cone beim G12-65

Gruß, Dirk

Danke Dirk, wenigstens Einer, dem die Hitze nicht zu Kopf gestiegen ist.  ;D

Gibt es da klanglich Unterschiede? Mein 12-65er hat nämlich eine 4444er Membran und kein 4711er....und soweit ich weiß, wurden ja auch verschiedene Membranen eingestzt, oder?
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Dirk am 28.06.2012 17:19
Danke Dirk, wenigstens Einer, dem die Hitze nicht zu Kopf gestiegen ist.  ;D

Gibt es da klanglich Unterschiede? Mein 12-65er hat nämlich eine 4444er Membran und kein 4711er....und soweit ich weiß, wurden ja auch verschiedene Membranen eingestzt, oder?

Dein G12-65 ist kein Reissue. Der aktuelle G12-65 hat eine 1777er Membran und da gibt es einen deutlichen Unterschied zur 444er. Viel mittiger, weniger klar im Bass.

Gruß, Dirk
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Athlord am 28.06.2012 18:00
Gibt es da klanglich Unterschiede? Mein 12-65er hat nämlich eine 4444er Membran und kein 4711er....und soweit ich weiß, wurden ja auch verschiedene Membranen eingestzt, oder?

Hallo,
beim G12-65 wurden nur zwei Membranen eingesetzt, nämlich die 1777 und 444.
Bei letzterer hat der Speaker eine T31xx Nummer, diese Membran wurde erst später verwendet.
Meiner Meinung nach, klingt der 65er mit der 1777 besser.
Gruss
Jürgen
Titel: Re: Test ET65 / G12-65 / G12-65 Reissue im Vergleich
Beitrag von: Blind Chris McFear am 9.02.2016 12:06
Ich hab den ET65 in einem Ampeg J-20. Der Amp basiert auf einem Fender Brown Deluxe, hat aber aufgrund der Negative Feedback Loop viel mehr cleanen Headroom, er klingt auch nicht so topfig wie der 6G3. Der Ampeg ist auch leicht modifiziert (Bias-Regler, Presence-Regler, etc).
Jedenfalls klingt der mit dem ET65 sowohl clean als auch mit Zerrer top. Der Speaker ist mit dem Amp ein richtiger Allrounder. Auch traditioneller Jazzton geht mit einer Tele super. Coutry, clean Pop/Rock und auch mit Zerrer (Tubescreamer und dessen Derivate, Dumble-Style-Zerrer) gefällt mir diese Kombi richtig gut.
Ich hatte in dem Amp auch einen WGS G12C drin. Der hat auf Änderungen des Tone-Pots des Amps extrem reagiert. Es gab eigentlich nur einen Sweetspot für Clean und einen für Zerre, also war das eine sehr unflexible Angelegenheit. Für Rock, Rockabilly und Blues hat auch der Celestion G12H30 Anniversary sehr gut funktioniert, für Jazz war der Speaker aber weniger geeignet.

Ich habe gerade einen Blues Junioer Bj 2002 mit Rola Celestion 65 Speaker erstanden. Der Speaker sieht fast wie neu aus. Ich trau mir aber noch keinen Vergleich anzustellen. Der BJ bekommt nächste Woche die üblichen Mods, davor will ich den Speaker nicht beurteilen. Im Zuge der Bastlerei werde ich den Celestion vielleicht auch einmal in den Ampeg stecken...
Grüße, Christian