Tube-Town Forum
Technik => Tech-Talk Design & Konzepte => Thema gestartet von: Jürgen am 4.10.2018 06:28
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Hallo.
Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, warum diese beiden Widerstandswerte in Endstufenschaltungen (R19+R20) so stark schwanken. Ich habe schon von 100K bis 1M alle Werte dort gesehen. Was machen die eigentlich bzw. welcher Effekt stellt sich ein, wenn man den Wert beispielsweise, statt der oft üblichen 220K, auf 1M erhöht?
Gruß, Jürgen
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Hi, das sind die Gitterableitwiderstände, wie in jeder anderen Röhrenstufe auch. Bei fixed Bias wird hier auch die neg. Vorspannung eingespeist. Der Wert ergibt sich aus dem Datenblatt der verwendeten Röhre. I.d.R. umso kleiner je kräftiger die Endröhre ist. Nochmal kleiner, wenn Röhren parallel betrieben werden.
Nicht jeder Designer hält sich aber an das Datenblatt...daher gibt es hier tw. seltsame Werte
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Aha, deshalb also. Wie wird denn dieser Wert in Datenblättern bezeichnet?
Gruß, Jürgen
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Hallo,
das ist der Gitterableitwiderstand. Häufig als Rgbezeichnet.
Grundsätzlich soll er so niederohmig wie möglich sein, um eine positive Aufladung des Gitters zu vermeiden.
Er darf aber auch nicht zu niedrig gewählt werden, da sonst die Eingangsimpedanz runter zieht und die Quelle zu stark belastet.
Auch ist der Wert bzw. die Design-Maxima abhängig von der verwendeten Schaltungsart, aber das ist im jeweiligen Datenblatt näher spezifiziert.
Grüße,
Swen
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OK. Danke für die Infos!
Gruß, Jürgen
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Hi,
wofür man den Gitterableitwiderstand Rg eigentlich braucht:
Damit die Ruhepunkteinstellung/Bias überhaupt funktioniert, muss das Gitter einen bestimmten Gleichspannungsbetrag (fast immer negativ, es gibt aber auch "Zero-Bias"-Röhren) gegenüber der Kathode aufweisen.
Dazu legt man meist entweder die Kathode auf Masse und eine negative Gleichspannung über den Rg ans Gitter (fixed bias), oder man legt das Gitter über den Rg auf Masse und hebt die Kathode über einen Widerstand Rk gleichspannungsmäßig an (auto bias). Dies ist deine Bias-GLEICHspannung.
Das Signal, womit du die Röhre ansteuerst, ist dagegen eine WECHSELspannung.
Ohne diese Ansteuerung mit einem Signal, könntest du die Biasspannung ohne Rg direkt aufs Gitter geben (fixed bias), bzw. das Gitter direkt auf Masse legen (auto bias).
Aber wenn du jetzt auch das Signal ans Gitter führen würdest, würde es über die Siebelkos im Bias-Netzteil nach Masse kurzgeschlossen; und bei auto bias sowieso direkt auf Masse kurzgeschlossen.
Du brauchst also eine Vorrichtung, welche die Biasgleichspannung ans Gitter führt, die Signalwechselspannung aber vorm Kurzschluss nach Masse abhält - sprich, beides von einander entkoppelt. Und das macht der Rg.
Gruß, Peter
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Alles klar, sehr gut erklärt. Ich wunderte mich nur über die sehr schwankenden Werte in verschiedenen Schaltungen, trotz völlig gleicher Umgebungsbedingungen. So hatte ich PP-Schaltungen mit EL84 gesehen, alle mit 300V B+, Autobias usw. aber mit gänzlich anderen Gitterableitwiderständen von 100K bis 1M. Ich glaube 220K bis 470K sind wohl in der Praxis gängige, brauchbare Werte.
Gruß, Jürgen
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Auch von mir vielen Dank Peter! Die unterschiedlichen Werte sind von den verwendeten Röhrentypen abhängig, steht in den meisten Datenblättern auch so drin. EL84 z.B. "vertragen" bei Kathodenbias bis zu 1M, bei fixed Bias 300K. 6L6, 6V6 und 5881 möchten gerne max. 100K (fixed Bias) bzw. 500K (Kathodenbias) sehen. Bei EL34 sind es in beiden Fällen 500K.... Die Werte beziehen sich auf die gesamte "grid-to-ground-resistance", also den Gesamtwiderstand vom Gitter nach Ground, also den Ableitwiderstand plus eventuelle Gridstopper.
Mich würde interessieren, in wie fern sich diese Widerstände auf den Sound auswirken....?
Viele Grüße,
Heiko
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Jetzt habe ich mir von den Antworten erstmal einen Srennshot gemacht. :) Danke dafür. :bier:
Gruß, Jürgen
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V6 und 5881 möchten gerne max. 100K (fixed Bias) bzw. 500K (Kathodenbias) sehen. Bei EL34 sind es in beiden Fällen 500K....
... wobei man bei stark ausgelasteten Röhren eher etwa die Hälfte nehmen sollte (wie z.B. bei den Dynacord-Endstufen mit 750-800 V Anodenspannung). Bei der KT77 gibt es eine entsprechende Empfehlung.
So mit die größten i.S.v. mutigsten Abweichungen sieht man m.E. bei 6L6GC und Artverwandten (7027...) Da gehen die Designer gerne mal auf O(150)% des erlaubten Werts - aber die Strombelastbarkeit der Röhre wird ja auch nur eher selten ausgenutzt.
(so - Hintergrund der Geschichte: das Steuergitter *jeder* Röhre fängt in einem gewissen Maß Elektronen ein. Es lädt sich daher auf, und der Arbeitspunkt der Röhre verschiebt sich. Diese eingefangenen Elektronen müssen auf Masse abgeleitet werden, um die Schaltung stabil zu halten. Deshalb besitzt so gut wie jede Verstärkerstufe einen Gitterableitwiderstand. Je größer die Ströme ind er Röhre sind, desto mehr Elektronen bewegen sich, und desto mehr werden natürlich auch vom Steuer eingefangen und müssen abtransportiert werden. Und je mehr das sind, desto kleiner muss der Ableitwiderstand sein.
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Bei der gezeigten Schaltung ist ein "Cathodyn" Phasensplitter davor. Da muss man auch beachten dass der für beide Ausgangskanäle unterschiedliche Ausgangsimpedanzen hat. Je kleiner die Rg Werte, umso mehr können sich Pegelunterschiede einstellen, denn Rg wirkt auch als Spannungsteiler für das Signal mit der Ausgangsimpedanz und natürlich auch den Koppel-Kondensatoren (Bassfilter)
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Ein korrekt dimensionierte Katodyn hat doch in beiden Zweigen symmetrische Ausgangsimpedanzen (Folge der starken Gegenkopplung).
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Hallo,
Der Cathodyne hat 2 Ausgangsimpedanzen (common-mode)
Anode ist RA
Kathode ist ca 2/gm.
Die Folge einer Überbelastung der Kathode wäre zum Beispiel ein drastischer Anstieg des Gains der Anode. Das passiert beim CD auch beim überfahren.
Nichts desto trotz, solange die impedanz sich danach nicht ändert und diese A zu K gleich ist, bleibt das voltage level gleich. Das kann aber abhängig von der Endröhre, OT, GK auch mal nicht so sein. Ich
100k / 100k als grid leakage sind da echt ok und je nach coupling C sogar kleiner...
Lg geronimo
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Dann fährst Du den PI mindestens aber dynamisch auf immer steilerer Kennlinie
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Die differentielle Ausgangsimpedanz ist allerdings sehr wohl symmetrisch, zumindest so lange der Katodyn nicht übersteuert wird. Und die ist für die Auslegung einer Schaltung zumindest zunächst mal die wesentliche Eigenschaft.
Was für die Praxis bedeuten könnte, dass man einen Katodyn tunlichst so auslegen sollte, dass er eben i.d.R. nicht übersteuert wird, sondern die Stufen davor oder danach.
(Beim Spicen fand ich die ECC82 als Katodyn vor 6L6GC mit fixed Bias am leichtesten handhabbar. Mal sehen, wie das in der Realität aussieht...)
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Die differentielle Ausgangsimpedanz ist allerdings sehr wohl symmetrisch, zumindest so lange der Katodyn nicht übersteuert wird. Und die ist für die Auslegung einer Schaltung zumindest zunächst mal die wesentliche Eigenschaft.
Was für die Praxis bedeuten könnte, dass man einen Katodyn tunlichst so auslegen sollte, dass er eben i.d.R. nicht übersteuert wird, sondern die Stufen davor oder danach.
(Beim Spicen fand ich die ECC82 als Katodyn vor 6L6GC mit fixed Bias am leichtesten handhabbar. Mal sehen, wie das in der Realität aussieht...)
Hallo Bea,
ich glaub Du hast noch nie einen überfahrenen Cathodyn mit Gitterstrom an den Endröhren gehört...
Das kann äusserst reizvoll klingen. Und ist z.B. ein wichtiger Bestandteil des Tweed-Deluxe-Charmes ...
theoretisch: suboptimal - soundmäßig: geil - und das nicht nur für "kaputte Neil Young Sound"-Freaks.
Grüße
Jochen
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Ok, dann mag ich Dir das mal glauben; als Mitglied der Clean-Fraktion weiß ich das natürlich nicht.
Suboptimalisieren ist ja simpel; man muss nur die beiden Widerstände verändern (was leider nicht knackfrei geht).
Also ist der Ansatz, den Katodyn erstmal so sauber wie möglich zu dimensionieren, wohl ein vernünftiger.
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Ok, dann mag ich Dir das mal glauben; als Mitglied der Clean-Fraktion weiß ich das natürlich nicht.
Suboptimalisieren ist ja simpel; man muss nur die beiden Widerstände verändern (was leider nicht knackfrei geht).
Also ist der Ansatz, den Katodyn erstmal so sauber wie möglich zu dimensionieren, wohl ein vernünftiger.
Hallo Bea,
suboptimalisieren - das wäre reiner Aktionismus...
Ein "normal-sauber" designter Kathodyn mit symmetrischen Arbeitswiderständen macht seinen Job da recht gut... Der Zauber ergibt sich durch das dynamische Verhalten der (übersteuerten) Endstufe. Und damit auch durch den fließenden Übergang zum Chaos...
Grüße
Jochen
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Na, wenn ich in meinem Verstärkerprojekt (dem da: https://www.tube-town.de/ttforum/index.php/topic,12882.msg235691.html#msg235691) den Katodyn übersteuern möchte, muss ich mich schon richtig anstrengen (wenn die Simulation stimmt). Dafür dürfte das bei der Endstufe nicht allzu schwierig werden. Aber eigentlich will ich da die Möglichkeit, das komplett in der Vorstufe handeln zu können.
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Mich würde interessieren, in wie fern sich diese Widerstände auf den Sound auswirken....?
Viele Grüße,
Heiko
Sind sie zu klein, geht zu viel Signalpegel verloren, dh es ist nicht mehr so laut.
Zu gross: der Arbeitspunkt der Röhre driftet weg und innerhalb kürzester Zeit wird der Sound immer verzerrter um dann uU ganz zu verschwinden. Klingt greulich und der Röhre tuts nicht gut weil der Anodenstrom hoch geht.
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Na, wenn ich in meinem Verstärkerprojekt (dem da: https://www.tube-town.de/ttforum/index.php/topic,12882.msg235691.html#msg235691) den Katodyn übersteuern möchte, muss ich mich schon richtig anstrengen (wenn die Simulation stimmt). Dafür dürfte das bei der Endstufe nicht allzu schwierig werden. Aber eigentlich will ich da die Möglichkeit, das komplett in der Vorstufe handeln zu können.
...es geht hauptsächlich um das chaotische Signalverhalten, wenn die Endstufenröhren anfangen Gitterstrom zu ziehen...
Grüße
Jochen