Moinmoin zusammen,
Bezüglich der Bestückung mit Röhren ab Werk hat sich nie eine Firma - von wenigen "Boutique" Herstellern abgesehen - jemals an was anderem als der Beschaffbarkeit und dem Einkaufspreis gerichtet. Das gilt für jedenfalls Marshall wie Fender und alle anderen "Großen". Seit Jahren ist auch Mesa-Boogie ein Großer in diesem Sinn. Das selbe gilt übrigens noch heute für die modernen Bauteile der Konsumelektronik. (Wahrscheinlich sogar noch mehr, bei jungen Männern wie Frauen ist Betriebswirtschaft in der BRD das meistgefragte Studium...)
"Vernünftig betrieben" bin ich sicher, dass die Unterschiede zwischen dem selben Röhrentyp verschiedener Röhrenherstellern in einem doppelten Blindtest eben nicht zu unterscheiden sind. Nachdem das gesagt ist - und dazu stehe ich - folgende Anmerkungen:
1.) Röhren werden in Gitarrenamps nicht "vernünftig betrieben".
1.a) Besonders in Kofferamps, aber auch bei Stacks gibt es Verstärkungsfaktoren und mechanische Erschütterungen und Vibrationen, die deutlich über die in den Datenblätterndafür als Grenzwert angegebenen Kombinationen hinausgehen.
1.b) Gitarrenverstärker haben eine irrsinnige Verstärkung (Gain), weil diese eben nicht nur zum Lautmachen benutzt wurd, sondern gerade das "Anreichern mit Obertönen" bei gleichbleibender (End-)Lautstärke den Röhrensound ausmacht.
1.c) Gitarrenverstärker werden im Gegensatz zu "normalen Amps" oft in Grenzbereichen betrieben, die mit einer Vergleichbarkeit im "normalen Bereich" nicht immer in Einklang zu bringen ist.
2.) Wenn der Gitarrist weiß, dass seine Lieblingsröhre drin ist, wird er besser spielen. Autosuggestion gibt es, sie ist weder zu leugnen, noch etwas a priori Schlechtes.
Zu 1.) wird es in Vorstufen von Amps sicher etwas ausmachen (Mikrophonie, Erschütterungsfestigkeit), wenn man z.B. eine Spanngitterröhre einsetzt. Die Günstigste ist m.E. die JJ ECC83S, die auf den Maschinen gebaut wird, auf denen Telefunken die ECC803S gebaut hat. Tesla kaufte diese Maschinen Anfang der 70er und baute seine E83CC darauf (ist also die selbe Röhre) und verkaufte die Maschinen dann an JJ (steht für Jan Jorgo), der heute noch seine ECC83S darauf fertigt (ist also die selbe Röhre).
Diese Röhre ist mikrophonie-unempfindlich und für "viel Gain" auch theoretisch besser geeignet als andere Typen der ECC83. Der einzige Unterschied zu den superteuer gehandelten Originalröhren (Telefunken ECC803S) besteht darin, dass Telefunken eine sehr enge Toleranz der beiden Röhrensysteme garantierte (d.h. die Hälfte der Produktion wegwarf oder - sehr wahrscheinlich - billiger als "normale" Röhre verkaufte). Diese enge Spezifikation geht aber an NF-Amps vorbei, driftfreie OpAms für Analogrechner betreiben wir nicht...
Ebenfalls zu 1.) wird eine andere Endröhre in der selben Schaltung (die selben Marshalls wurden über Jahre in Europa mit EL34 und im Amerika mit 5881 verkauft, einziger Grund siehe ganz oben) wohl auch anders klingen.
Es gibt also schon Unterschiede. Inwieweit die hörbar sind, hängt sicher hauptsächlich davon ab, wer den Amp wie spielt. Unabhängig davon, dass ich persönlich hier das Meiste für Hype halte, wird ein guter Gitarrist sicher auch auf der "schlechten" Röhre besser klingen als ein schlechter Gitarrist auf der "guten".
Das unter 2.) Genannte stimmt aber in jedem Fall und ist - ich sage es noch mal - überhaupt nichts Schlechtes. Auch meine Instrumente klingen schon allein deshalb besser, wenn und weil "Bartolini" auf den Pickups steht...
Martin