Technik > Tech-Talk Design & Konzepte
DC - Kathodyn
_peter:
Hallo,
da bei valve wizard nur die AC-Variante der Kathodyn-Schaltung erklärt wird, möchte ich hier zu meiner
Selbstvergewisserung und Interessierte einmal die DC-Variante durchrechnen, wie sie z.B. in alten
Matamps und Orange-Amps zu finden ist (Bild0). Das tolle an der Schaltung - gerade für
Gitarrenverstärker - ist, dass im Vergleich zur AC-Variante weniger Bauteile benötigt werden und sie
einen Kompressionseffekt erzeugt, der dem des berühmten Kathodenfolgers in 22xx Marshalls entspricht.
Ich nehme zunächst eine Anodenspannung von 400V an - in Matamps liegt sie z.T. deutlich höher, in
Oranges eher niedriger. Als Anoden- und Kathodenwiderstand wähle ich, der Vorlage entsprechend, 100k.
Zunächst zum rechten Teil der Schaltung - also der eigentlichen Kathodyn. Ist das Ziel der Schaltung ein
möglichst hoher Output (da die Stufe eine steuerspannungshungrige Enstufe versorgt) wird man zunächst
versuchen wollen, den Arbeitspunkt etwa in die Mitte - sagen wir bei -2V zu legen (Bild1).
Der Aussteuerungsbereich zwischen cut off und Gitterstromeinsatz beträgt etwa 320V. Da sich die beiden
Ausgänge diesen Bereich teilen müssen, haben wir theoretisch für jeden Ausgang etwa 160Vpp zur Verfügung.
Die Anoden-Kathoden-Spannung liegt bei 225V, die restlichen 175V, die bis zu unserer 400V Betriebsspannung
noch fehlen, verteilen sich je zur Hälfte über dem Ra und Rk. Damit liegt die Uk bei 87,5V.
ABER wenn man sich jetzt der anderen Stufe zuwendet, wird man sehen, dass alles leider nicht so schön
bleibt, wie bisher angenommen. Denn an der Anode der ersten Stufe brauchen wir nun eine Spannung, die
in etwa unserer berechneten Uk von 87,5V entspricht. (Die sich von selbst einstellende Gittervorspannung
der Kathodynstufe sei hier außen vor gelassen.) Nimmt man als Anodenwiderstand frei nach Schnauze 200k,
so ergeben sich die Verhältnisse in Bild2 (blaue Linie): Der Arbeitspunkt bei Ua = 87,5V liegt fast auf der
0V-Linie und der schöne große Aussteuerungsbereich der Kathodynstufe kann so gar nicht genutzt werden,
da die vorhergehende Stufe viel früher begrenzt. Was nun?
_peter:
Zunächst könnte man den Ra der ersten Stufe vergrößern. Mit 390k (grüne Linie) verbessert sich die
Situation ein wenig. 390k werden daher übrigens auch in Matamp/Orange eingesetzt. Falls sich jemand
mal gefragt hat, warum dort so ein großer Ra sitzt - hier liegt der Grund.
Eine zweite Möglichkeit ist es, den Arbeitspunkt der Kathodynstufe so zu verändern, dass ihre
Uk - und damit die Ua und der Aussteuerungsbereich der ersten Stufe - steigt. Damit verringert man
allerdings wiederum den Aussteuerungsbereich der Kathodynstufe. (Wobei das Problem hier nicht ist,
dass die Kathodyn übersteuert wird, sondern einen möglichst hohen Ausgangspegel zu behalten.) Es geht
also darum, ein Optimum zu finden, bei dem die Aussteuerungsbereiche beider Stufen etwa gleich groß sind.
In Bild3 wurde der AP der Kathodyn auf -1,5V gesenkt. Das ergibt eine Ua-k von etwa 190V. Die restlichen
210V verteilen sich wieder auf Ra und Rk und man erhält somit eine Uk von 105V. In positiver Richtung
hat der Aussteuerungsbereich jetzt zwar weniger Luft bis zur Gitterstromgrenze, jedoch kann dank direkter
Kopplung diese überschritten werden, solange die erste Stufe den Gitterstrombedarf bedienen kann. Danach
wird das Signal weich begrenzt. Der gesammte Ausgangspegelliegt damit bei mindestens 230Vpp für beide Augänge und bei über 115Vpp pro Seite. Dank direkter Kopplung ist er wahrscheinlich um einiges größer.
In Bild4 ist der neue AP der ersten Stufe zu sehen. Hier hat sich der Aussteuerungsbereich vergrößert
auf über 65V in positiver Richtung und damit mindestens 130Vpp. Um auf diesen AP zu kommen, wird ein
Rk von 0,8V / 0,8mA = 1k benötigt. Damit liegt man wieder zwischen Matmamp (1k15) und Orange (0,6k).
Gruß, Peter
Nils H.:
Moin,
ich finde das gut, wenn hier auch mal was vorgerechnet durchgerechnet wird; Daumen hoch! Eine Anmerkung von mir:
--- Zitat von: _peter am 28.09.2011 13:23 ---Zunächst zum rechten Teil der Schaltung - also der eigentlichen Kathodyn. Ist das Ziel der Schaltung ein
möglichst hoher Output (da die Stufe eine steuerspannungshungrige Enstufe versorgt) wird man zunächst
versuchen wollen, den Arbeitspunkt etwa in die Mitte - sagen wir bei -2V zu legen (Bild1).
Der Aussteuerungsbereich zwischen cut off und Gitterstromeinsatz beträgt etwa 320V. Da sich die beiden
Ausgänge diesen Bereich teilen müssen, haben wir theoretisch für jeden Ausgang etwa 160Vpp zur Verfügung.
Die Anoden-Kathoden-Spannung liegt bei 225V, die restlichen 175V, die bis zu unserer 400V Betriebsspannung
noch fehlen, verteilen sich je zur Hälfte über dem Ra und Rk. Damit liegt die Uk bei 87,5V.
--- Ende Zitat ---
wir hatten das doch vor einer Weile mal im Thread über die Haltbarkeit der EH 12AX7, der dann in eine DC-Kathodenfolger-Diskussion ausuferte und von Dirk abgetrennt wurde; der Gitterstromeinsatz geschieht bei der ECC83 deutlich vor Ug=0V, je nach Datenblatt ist hier irgendwas um -0.9V angegeben; insofern verlierst Du in negativer Richtung nochmal einiges an Aussteuerungsbereich, wenn Du den Gitterstromeinsatz vermeiden willst.
Außerdem werden sich vermutlich, verursacht durch leichten Gitterstromfluss und ähnliche Ausgleichsvorgänge wie beim DC-CF, leicht andere Arbeitspunkte einstellen als die per Arbeitsgerade ermittelten.
Gruß, Nils
SvR:
Salü,
Der Thread kam mir auch gleich in den Sinn, als ich den Titel hier gelesen habe.
--- Zitat von: Nils H. am 28.09.2011 14:31 ---...der Gitterstromeinsatz geschieht bei der ECC83 deutlich vor Ug=0V, je nach Datenblatt ist hier irgendwas um -0.9V angegeben; insofern verlierst Du in negativer Richtung nochmal einiges an Aussteuerungsbereich, wenn Du den Gitterstromeinsatz vermeiden willst.
--- Ende Zitat ---
Wobei sich das gesamte System aus beiden Röhren ziemlich dynamisch Verhalten dürfte. Wird zu weit ausgesteuert, fängt V2 an Gitterstrom zu ziehen. Dieser Strom muss dann ja über den Ra von V1 und verursacht einen Spannungsabfall. Als Folge sinkt die Anodenspannung von V1, was gleichzeitig die Gittervorspannung von V2 negativer macht. Damit sollte sich das ganze System selbst im "gitterstromlosen" Betrieb halten, solangen V2 nur leicht übersteuert wird. Das dürfte wahrscheinlich auch die Erklärung für den Kompressionseffekt sein, oder?
Ich denke hier ist mit statischen Kennlinienfeldern nur ne grober Abschätzung möglich. Eine Simulation (gibt es Modelle, die den Gitterstromeinsatz vernünftig wieder geben?) oder Messen am lebenden Objekt dürfte die bessere Methode für den Feinschliff sein.
mfg sven
Nils H.:
Moin,
--- Zitat von: SvR am 28.09.2011 14:43 ---gibt es Modelle, die den Gitterstromeinsatz vernünftig wieder geben?
--- Ende Zitat ---
die "Universaltriode" von Duncan (dmtriodep.inc) modelliert Gitterstrom und erlaubt zumindest eine gute Abschätzung der tatsächlichen Verhältnisse.
Gruß, Nils
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln