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19 Watt aus einer EL34

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Martin M:
Moinmoin Mike,

der Arbeitspunkt einer analogen Verstärkerschaltung ist der Punkt im Kennlinienfeld, der sich ohne jede Aussteuerung einstellt. Bei Eintakt-Schaltungen (SE), egal ob in Vor- oder Endstufen, legt man ihn - es sei denn, man wünscht unsymmetrische Verzerrung - in die Mitte des linearen Aussteuerbereiches. Wenn ein Arbeitspunkt so liegt, nennt man das Klasse-A-Einstellung. (Anm.: Insofern sind "Class-A-Vorverstärker" weiße Schimmel oder einfach nur Marketinggeblubber...)
Da in der theoretischen Betrachtung der Endstufe Spannung und Strom am Lautsprecher immer parallel, an der Röhre selbst immer antiparallel ab- und zunehmen (idealer AÜ und Lautsprecher), muss dieser Arbeitspunkt genau da liegen, wo Anodenspannung und Anodenstrom gerade die Hälfte der anzunehmenden Maximalwerte sind. In der Praxis macht man es genauso, weil die Praxis auch ganz gut mit der Theorie übereinstimmt ;)

Jetzt wirds kompliziert, denn die Röhre liegt am Netzteil in Serie mit dem als ideal angenommenen AÜ. An dem fällt ohne Aussteuerung, das ist eben im Arbeitspunkt, keine Spannung ab. Du hast natürlich insofern recht, dass gleichstrommäßig der Arbeitspunkt bei voller Versorgungsspannung und halbem Ausgangsstrom liegt.
Wechselspannungsmäßig liegt er jedoch bei halber Ausgangsschwingungsweite sowohl der Spannung als auch des Stromes, also bei halber maximal an der Röhre auftretender Anodenspannung. Insofern hätte ich Versorgungsspannung und Anodenspannung überhaupt und besser unterscheiden müssen, sorry.

In jedem Fall stirbt einem die Röhre schon ohne Aussteuerung, wenn man den Arbeitspunkt nicht so legt, dass dort weniger als oder  gerade eben die maximale Anodenverlustleistung entsteht.
Bei Aussteuerung pendeln die an der Röhre selbst abfallende Anodenspannung und der Anodenstrom - wenigstens bei idealer Röhre und idealen AÜ und Lautsprechern - so, dass sich auch hier immer die Ruhestromleistung einstellt: Wenn die Spannung an der Last steigt, sinkt sie an der Anode, gleichzeitig steigt der Anodenstrom. Wenn die Spannung an der Last sinkt, steigt sie an der Anode, gleichzeitig sinkt der Anodenstrom.
Daher ziehen erstens Klasse-A-Verstärker immer die gleiche Leistung aus dem Netzteil, egal, bei welcher Lautstärke und ob man sie überhaupt spielt oder nicht. Zweitens begrenzt die maximale Anodenverlustleistung einer Endröhre direkt die damit im Klasse-A-Betrieb erzielbare Nutzleistung.

Martin

Holzdruide:

--- Zitat von: Martin M am 16.02.2013 16:23 ---In jedem Fall stirbt einem die Röhre

--- Ende Zitat ---
da ist was dran bei der Leistungsangabe  :devil:

Gruß Franz

Martin M:
Moinmoin nochmal,

ich habe mal in meiner Büchersammlung gewphlt, und "Elektronenröhren als End- und Sendeverstärker"von Horst Rothe und Werner Kleen aus dem Jahre 1940 gefunden. Die wiederum beziehen sich auf eine Arbeit von Herrn Jonker aus dem Jahre 1939. Damals waren Röhren im Gegensdatz zu heute noch nicht "ausgeforscht". (Das heißt nicht, dass man alles weiß, sondern nur, dass weitere Forschung keinen dem Aufwand entsprechenden kommerziellen und/oder wissenschaftlichen Nutzen mehr bringt...)

Jedenfalls geht es hier um den Unterschied zwischen Theorie und praxis, was ich ganz interessant finde und dem ansonsten ausgelutschten Thread deshalb anhänge:
Nicht ideale AÜ und Lautsprecher verursachen Phasenverschiebungen, Sättigungen und Nichtlinearitäten verbieten lineare Extrapolationen und machen den Einsatz analytischer Verfahren (klassich: Fourier- und Laplace-Transformationen) unmöglich. Dennoch hat Herr Jonker die Arbeitspunke im Ausgangskennlinienfeld aufgezeichnet.

Im Theorie-Bild sieht man die Arbeitsgerade, der Arbeitspunkt liegt exakt auf der Hyperbel, die durch die maximale Anoden-Verlustleistung (Ua * Ia) bestimmt ist.
Im Praxis-Bild sieht man, wie nicht ideale AÜ und Lautsprecher diese Arbeitsgerade schon für ein reines Sinus-Signal in eine ellipsenartige Kurve, bei mehreren Frequenzen eine Art "Lissajous-Figur" und bei "normalen" Signalen eine "Arbeitspunktwolke" deformiert.

Auch hier gilt: Trioden haben anders aussehende Ausgangskennlinien, an der Physik kommen aber auch sie nicht vorbei: Die "Arbeitspunktwolke" sieht genauso aus, die Leistungsbetrachtungen stimmen auch.

Viel Spaß damit.

Martin

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