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Bias Messung, Abweichung duch Alter?
Martin M:
Moinmoin zusammen,
Vielleicht bin ich ja nur Elektrotechnik-Ingenieur und weiß nicht alles, aber meines Wissens ist nach der reinen Lehre:
- A-Betrieb ein Ruhearbeitspunkt in der Mitte des linearen Bereiches mit ideal symmetrischer Aussteuerung.
- B-Bertrieb ein Ruhearbeitspunkt am "Fußpunkt" der Aussteuerungskennlinie, der nur eine Halbwelle aussteuerbar läßt und damit ideal unsymmetrisch ist.
- C-Betrieb ein Ruhearbeitspunkt außerhalb des Durchlassbereiches, der aber i.a. nur dann sinnvoll ist, wenn ein Bandpass nachgeschaltet wird und daher so gut wie ausschließlich in HF-Sendeverstärkern zum Einsatz kommt.
- Alle weitern Betriebsarten sind entweder "zusammengesetzte" Verstärker jeweils für hohe und niedrige Aussteuerung oder für lineare Verstärkung nicht von Belang.
Konsequenzen der reinen Lehre sind: Viel Ruhestrom und immer gleiche (hohe) mittlere Verlustleistung unabhängig von der Aussteuerung bei A-Betrieb, exakt gar kein Ruhestrom und ausschließlich von der Aussteuerung abhängige Verlustleistung im B-Betrieb.
Man kann prinzipiell jeden Verstärker allein durch Ruhestrom-Einstellung zwischen A- und C-Betrieb einstellen. Die Grenzen liegen ausschließlich in der durch die in Richtung "A" zunehmende Verlustleistung, die dabei jede für B- oder AB-Betrieb ausgelegte Endstufe killt.
Insofern ist mir der genannte Unterschied zwischen "AB1 viel zu kalt oder B mit korrektem Ruhestrom" theoretisch irgendwie nicht transparent...
Da der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis größer ist als in der Theorie, spricht man jedoch schon - eigentlich fälschlicherweise - von B-Betrieb, wenn nur "sehr wenig" Ruhestrom fließt. Der Arbeitspunkt liegt dann im unteren, stark gekrümmten Teil der Übertragungskennlinie. So holt man dann z.B. aus 2 EL34 80W Sinus raus, im AB-Betrieb sind eher 40W die Grenze.
Schon kritischer ist es, von A-Betrieb zu sprechen, obwohl AB-Betrieb mit "eigentlich zu hohem Ruhestrom" vorliegt. Der Vox AC30 läuft eben nicht im A-Betrieb. Weder von der Schaltung, noch vom Ruhestrom her, die Endpentoden würden im A-Betrieb wegen zu hoher Anodenverlustleistung recht bald glühend verenden...
Jede nicht im Gegentakt in einem NF-Verstärker laufende Röhre, egal ob in Vor- oder Endstufe, läuft im A-Betrieb, Ausnahmen in unsymmetrischen Verzerrerstufen bestätigen erstens die Regel und zeigen zweitens, warum das so ist.
"Single Ended A-Betrieb" ist also im besten Fall eine Tautologie, in den meisten Fällen jedoch Marketing-Sprech.
In der Praxis also:
A-Betrieb in der Mitte des linearen Kennlinienbereiches, symmetrisch ausgesteuert
B-Betrieb nahe der Aussteuerungsgrenze (Gittervorspannung 0 bis sehr klein)
AB-Betrieb irgendwo dazwischen (der weitaus häufigste Fall, eigentlich immer bei NF-Gegentakt-Endstufen)
Die von mir als Beispiel genannten 2 EL34 mit 80W haben ca. 25mA Anodenruhestrom. Das nennen die Röhrenhersteller "B-Betrieb", was eigentlich falsch ist. Insofern ist mir der genannte Unterschied zwischen "AB1 viel zu kalt oder B mit korrektem Ruhestrom" auch praktisch irgendwie nicht transparent...
A-, B-, C- und AB-Betrieb sind prinzipiell unabhängig davon, ob man im Gegentaktbetrieb ist oder nicht. Dennoch ist die Betriebsart gerade bei Gegentaktbetreb wichtig: Hier arbeitet (cum grano salis, exakt stimmt es nur für den reinen B-Berieb) jeweils ein Schaltungsteil für eine Halbwelle, einer nur für alle positiven, der andre nur für alle negativen Signalanteile.
Beim jedem Nulldurchgang des Signals findet also eine Übernahme des Leitungsvorganges von einem Schaltungsteil an den anderen statt. Diese Übernahme kann man - wieder im reinen B-Betrieb ohne Ruhestrom - deutlich hören, aber nur bei relativ niedrigen Frequenzen und einem sehr "reinen" Sinus. Wer etwas anderes behauptet, der hat es - so behaupte jedenfalls ich - im Gegensatz zu mir noch nicht probiert (kommt gleich am Ende).
Damit dieser störende Effekt, der aufgrund seines Entstehens treffend "Übernahmeverzerrung" genannt wird, sich nicht bei den dafür gerade sehr empfindlichen leisen Stellen auswirkt, nimmt man i.a. den AB-Betrieb. Dadurch verschwindendie Übernahmeverzerrungen zwar nicht werden aber in einen nicht hörbaren Bereich verschoben. Wer immer noch behauptet, besser zu hören als ein gutes Messgerät: Hier wird er eines Anderen belehrt: Man hört diese Übernahmeverzerrung nicht mehr, auch wo sie noch messbar da ist!
Tut euch einen Gefallen und nehmt euch einen Verstärker, stellt den Ruhestrom auf echte 0 und spielt einen leisen Sinus ein (Flageolett der tiefen E-Saite der Gitarre tut es). Dann dreht den Ruhestrom auf und hört, wann und wie das "Britzeln" verschwindet.
Wer das noch nie gemacht hat, mag jedem aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz etwas von Ruhestromeinstellung und hörbarem Unterschieden in der selben Schaltung bei 30mA oder 50mA (Gegentakt-Endstufe mit 2 EL34) erzählen, aber nicht
Martin
Thhherapy:
Keiner redet von zu hohen Strom. Es gibt einen gewissen Bereich der als "normal" für eine Röhre gilt und wenn ich im unteren Bereich bin spricht doch nichts dagegen auch mal den oberen Bereich auszuprobieren.
Zumindest theoretisch. Praktisch weis ich nicht ob irgendwas an der Engl Schaltung das nicht verträgt und es deshalb so gemacht wurde.
Und weil die ganze Welt von "heiß" und von "kalt" eingestellten Amps spricht, geh ich mal sehr stark davon aus das es irgendwie doch Unterschiede geben muß. Es kann natürlich sein das es bei manchen Amps nichts bringt, aber das würde sich ja dann rausstellen.
Fody:
Hallo Martin,
Das mit den Arbeitspunkten hast du schön erklärt.
Jedoch, so wie ich es verstanden hab, reden wir doch die ganze Zeit von einer AB-Gegentakt-Endstufe. Nämlich die vom Engl.
Und so wie du schon erklärt hast, ist der AB-Betrieb sehr flexibel. Die untere Grenze, Der B-Betrieb, und die obere Grenze, die Leistungsgrenze der Röhre, lassen doch jede Menge Luft zum Experimentieren. Es hat auch nie jemand gesagt, dass die Soundunterschiede dabei von harten Übernahmeverzerrungen, die es im B-Betrieb gibt, herrühren. Da passiert doch so viel in diesen Amps, dass man das anhand eines Schaltplans und einigen theoretischen Überlegungen garnicht erfassen kann. Vielleicht geht ja das Netzteil mehr in die Knie durch den höheren Strom. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass der Arbeitspunkt an einer anderen Position im gekrümmten (dann anders gekrümmten) Bereich der Kennlinie liegt.
Andere Übertragungskennlinie = anderes Klirrverhalten = andere Oberwellen...???...Keine Ahnung...???
Ich hab früher immer gedacht Schaltung ist Schaltung, Widerstand ist Widerstand und Kondensator ist Kondensator.
Also hab ich mir nen Amp gebaut. Mit den billigsten Bauteilen, dies gab. Denn man wollte ja sparen. Schaltplan aus dem Internet, Layout selber gestrickt. Und zum Schluss war ich sehr enttäuscht, weil ich mir viel Mühe gab, Geld ausgegeben hatte, und der Amp nicht annähernd so gut klang wie das Orginal. Wenns nicht wirklich gleich ist, klingts auch nicht wirklich gleich. Das hab ich praktisch gelernt. Wie gross der Unterschied dann wirklich ist, hängt vom Gehör des Benutzers ab... oder vom Messinstrument des Ingeneurs ;)
@Thhherapy: Schreib doch mal ne E-mail an den Engl-Support und frag nach ob was kaputt gehn kann.
Gruss Casim
shatreng:
Hallo Thhherapy,
Dein Engl ist als Class B konzipiert. Dirk seine Anleitung gilt für Class AB. Natürlich kannst Du den Verstärker mit etwas Aufwand zu Class AB modifizieren, jedoch wird dann die Endstufe den Sound stärker beeinflussen.
Du bekommst dann mehr Endstufenzerre bei hohen Lautstärken. Das Konzept von Engl geht in die andere Richtung. Hohe Vorstufenzerre mit einer straffen Endstufe gepaart.
Mit Deinen neuen Röhren von JJ und einem Ruhestrom von 15 mA bist Du auf der richtigen Seite.
Besten Gruß
cca88:
--- Zitat von: shatreng am 29.11.2012 01:12 ---Hallo Thhherapy,
Dein Engl ist als Class B konzipiert. Dirk seine Anleitung gilt für Class AB. Natürlich kannst Du den Verstärker mit etwas Aufwand zu Class AB modifizieren, jedoch wird dann die Endstufe den Sound stärker beeinflussen.
Du bekommst dann mehr Endstufenzerre bei hohen Lautstärken. Das Konzept von Engl geht in die andere Richtung. Hohe Vorstufenzerre mit einer straffen Endstufe gepaart.
Mit Deinen neuen Röhren von JJ und einem Ruhestrom von 15 mA bist Du auf der richtigen Seite.
Besten Gruß
--- Ende Zitat ---
???
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