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Die Suche nach dem heiligen Ton!

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GeorgeB:

--- Zitat von: DocBlues am 23.08.2017 23:58 ---In kurzen Worten: Die Klangverschlechterungen sind zum großen Teil Dämpfungen und sonstige Veränderungen der Transienten, also der Einschwingbereiche. Deshalb Vorsicht: Frequenzanalysen basieren i.allg. auf dem Prinzip der Fourier-Analyse und benötigen periodische Signalverläufe, um die beteiligten Frequenzen zu identifizieren. Genau diese Periodizität ist aber bei den Transienten nicht gegeben. Deshalb können die realen Effekte damit prinzipiell auf diesem Weg nicht dargestellt werden.
Alternativ verwendet man Meßgeräte, die Dirac-Impulse senden. Leider schließen sich die Methoden zum Teil gegenseitig aus. Man kann sie aber letztlich doch zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
--- Ende Zitat ---
Hi,
Das stecken elementare Verständnisfehler drin.

Solange wir ein lineares oder nur schwach nichtlineares System haben (genaugenommen muss es ein LTI-System sein, Linear und Time-Invariant), ist die Art der Ermittlung der Impulsantwort (die das System ja *vollständig' charakterisiert, für jedes beliebige Eingangssignal -- was ganz wesentlich ist für das Verständnis), komplett egal und liefert die selben Ergebnisse -- solange nicht durch andere Effekte, wie zum Beispiel nicht ausreichendem Signal/Stör-Abstand, die Messung verfälscht wird (ein einzelner Dirac wird immer einen miesen Störabstand haben, zu tieferen Frequenzen immer schlimmer). Ein Folge von Diracs im Zeitbereich synchron zu mitteln ist schon besser, aber der geringste Jitter verfälscht die Höhen (werden abgeschwächt). Also misst man indirekt, die beiden bekanntesten Methoden sind MLS-Rauschsequenzen und Logsweep+Convolution. Letztere ist am stabilsten ggü Störeinflüssen und erlaubt auch das Mitmessen des nichtlinearen Verhaltens, d.h. man erhält Impulsantworten der Hauptkomponente sowie aller Klirrkomponenten einzeln. Gilt dann natürlich für den gewählten Signalpegel.

Will man eine sinnvolle graphische Darstellung des Übertragungsverhaltens (da die Impulsantwort nur schlecht "human-readable" ist), macht man eine Foriertransformation auf der Impulsantwort(en) und erhält einen Frequenzgang von Amplitude und Phase. Das ganze geht auch reziprok, d.h. hat man einen Frequenzgang von Amplitude und Phase ermittelt, erzeugt die inverse Furiertransformation wieder die zugehörige Impulsantwort. Und ja, man kann diesen Frequenzgang auch extrem "zu Fuß" und eben mit Dauersignalen messen, mit einem Signalgenerator und 2-Kanal-Oszi und es kommt das richtige Ergebnis raus, auch für Transienten oder was auch immer.

Hat man die Impulsantwort, kann man eben jedes beliebige Signal nehmen und damit falten und erhält den Output der exakt dem realen System enstpricht, im Rahmen der Nebenbedingungen (Störabstand und ggf Nichtlienarität).

Grüße, George

GeorgeB:

--- Zitat von: DocBlues am 23.08.2017 23:58 ---(Bsp: schon der Unterschied zwischen einem OP-Amp OPA 2134 und dem hochwertigeren OPA 2132 spielt bei einem Buffer eine Rolle.)
--- Ende Zitat ---
Zu dumm nur dass beides der *exakt* identische Chip ist und beide aus dem gleichen Wafer kommen. Der 2134 wird nur hinterher nach einer maximalen Offsetspannungs-Spezifikation selektiert (was für Audio aber 100% irrelevant ist). Zur Verwirrung trägt bei, dass es auch vom 2132 eine nach den selben Spezifikation selektierte Auswahl gibt. D.h. Texas Instruments labelt nach Bedarf die Chips mit ausreichend wenig Offset entweder als 2134 oder 2132 (ohne A-Suffix), allein abhängig von Logistikgründen. Und alle anderen als 2134A. Das ist zuverlässige mir vorliegende 1st-Hand-Information von Texas Instruments selbst, und man findet die Info auch im Forum von TI.

Ein Klangunterschied zwischen zwei Exemplaren mag möglich sein, ist aber exemplarabhängig zufällig und liegt eben NICHT daran, dass der 2132 prinziell bessere Audioeigenschaften hätte.

DocBlues:
Hallo GeorgeB,

danke für Deine Erläuterungen. Da ich gerne dazulerne, möchte ich Dich bitten, meine elementaren Verständnisfehler nochmal einzugrenzen. Da ich nicht spezialisierter Messtechniker bin und mein o.a. Austausch mit dem Experten schon Jahre zurückliegt, ist es nicht auszuschließen, daß ich mich unpräzise ausgedrückt habe.
Ich habe ja nicht gesagt, daß man die Transienten nicht messen kann aber eine Transiente ist per Definition nicht periodisch (also nicht "time-invariant") und deshalb funktioniert es mit reiner Fourier Analyse nicht. Ist das falsch ?
Wie gesagt: Irgendwo hier im Forum ist auch der Link zu finden auf eine Quelle, wo der Einfluß verschiedener Kabel auf die Transientenübertragung gemessen und erklärt wurde.

Betr.: OPA2134 und 2132: Das die beiden aus dem gleichen Wafer kommen und nur nach Exemplarstreuung selektiert werden, muß ja nicht bedeuten, daß sie die exakt gleichen Eigenschaften haben. Z.B. ist die Slew Rate beim 2132 höher (angegeben). Bisher habe ich die beiden immer noch in kritischen Anwendungen "auseinandergehört", wobei der Unterschied allerdings so gering ist, daß man ihn nur hört, wenn sonst im Signalweg auch nur sehr hochwertige Bauteile im Spiel sind.

Wichtiger wäre mir aber, wenn Du nochmal kurz auf die nach Deiner Auffassung vorliegenden Verständnisfehler in Bezug auf Transiente, Fourier und Dirac eingehen würdest. Wenn ich da schief liege, lerne ich gern dazu. Vielleicht ist es aber auch nur ein verbales Kommunikationsproblem.

Danke vorab und Gruß,
DocBlues

GeorgeB:
Hi DocBlues,

Time-Invariant bedeutet, dass ein System zu jedem Zeitpunkt gleich auf die gleiche Eingabe reagiert.
Einfaches Beispiel: Ein RC-Tiefpass ist zeitinvariant, ersetzen wir aber den Widerstand durch eine Glühlampe und hatten zuvor eine starkes Signal durchgeschickt, wird die Lampe warm und hochohmiger, und kühlt jetzt während der Messung ab und verfälscht diese. Das System ist zeitvariant und zudem nichtlinear, das Überlagerungsprinzip gilt nicht mehr.
Beim idealen Widerstand  haben wir bei einer Sprunganregung einen exponentiellen Verlauf der Spannung am Ausgang des RC-Gliedes, der im Prinzip unendlich lange dauert. Starten wir eine neue Messung bevor das alte Signal ausreichend abgeklungen ist, ist das Resultat zwar nicht das gleiche wie wenn es vorher keine Anregung gegeben hätte, aber es gilt das Überlagerungsprinzip und deshalb sind die einzelnen Komponenten dennoch gleich und das System ist dennoch zeitinvariant. Das wird oft nicht verstanden.

Zur Fourier-Analyse : In der Technik wird die Diskrete Fourier-Transformation (DFT) verwendet. Spezielle, rechenoptimierte Varianten der DFT werden als FFT (Fast Fourier Transform) bezeichnet.
Dazu sampled man ein (beliebiges) Signal, zB mit 65536 Punkten auf 48kHz Samplerate, und erfasst damit einen Block von 1.365333... Sekunden. Nach Ausführung der DFT erhalten wir 32768 Werte für Amplitude und Phase, je ein Wertepaar für 32768 Frequenzen zwischen 0 und 24kHz in Abständen von 0.7324... Hz. Die Frequenzen werden als DFT-Bins bezeichnet.

Die Bedeutung dieser Wertepaare pro Frequenz ist nun folgende :
Starten wir zum Zeitpunkt t=0 gleichzeitig lauter Sinus-Oszillatoren auf diesen Frequenzen mit den gegebenen Amplituden und Phasenlagen, dann erhalten wir wieder genau das urprüngliche Signal für den Zeitraum t=0 bis t=1.365333. Läßt man die Oszillatoren weiterlaufen anstatt sie zu stoppen, wiederholt sich das ganze mit eben der Periode von 1.365333 Sekunden. Deswegen ensteht oft das Mißvertändnis, dass die DFT nur mit kontinuierlichen Signalen funktioneren würde oder nur periodische Signale abbilden könne.

Mit genug Rechenpower kann die Anzahl der Stützstellen (Samples) beliebig erhöhen, d.h. man kann auch einen ganzen 3Minuten-Song vom Zeitbereich in den Frequenzbereich transformieren (und wieder zurück). Stoppt man die Oszillatoren nicht, wiederholt sich halt der ganze Song.

Folglich kann man auch singuläre Ereignisse ("Transienten") per DFT vollständig erfassen und nutzt das auch genau so, indem man zB die Impulsantwort eines Systems (also ein "transientes" Zeitsignal) der DFT unterwirft wenn man die Übertragungsfunktion anschaulich als Frequenzgang von Amplitude und Phase darstellen will. Eine weitere Anwendung finden wir in Modeling-Amps, dort werden ja oft Impulsantworten von Speaker-Cabs, Tone-Stacks etc verwendet und das Gitarrensignal damit gefaltet. Die Faltungsoperation direkt im Zeitbereich zu machen ist extrem rechenintensiv, deswegen nimmt man die DFT der Impulsantwort und blockweise DFTs des Eingangssignals und multipliziert einfach nur die (komplex-wertigen) Wertepaare der koresspondierenden DFT-Bins. Danach wandelt man blockweise mit der inveresen Transformation wieder zurück (IDFT bzw IFFT) in den Zeitbereich und hängt die Blöcke lückenlos aneinander.

GeorgeB:

--- Zitat von: DocBlues am 29.08.2017 12:56 ---Irgendwo hier im Forum ist auch der Link zu finden auf eine Quelle, wo der Einfluß verschiedener Kabel auf die Transientenübertragung gemessen und erklärt wurde.
--- Ende Zitat ---
Würde ich interessieren, vlt findest du das noch?
Ob bzw wie wohl nachgewiesen wurde dass ein Kabel normaler Länge und üblicher Konstruktion im Audiobereich kein LTI-System mehr sein sollte und damit nicht mehr per Impulsantwort vollständig beschreibbar sei.... falls es darum ging....

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